Zwei Museen zeigen unbedenkliche und belastete Exponate
Seit 2016 hat Provenienzforscherin Steffi Grapenthin Ausstellungsstücke im Behnhaus Drägerhaus und im St. Annen-Museum einer Prüfung aus Ankäufen der Jahre 1933 bis 1945 unterzogen. In einer spannenden Zeit von drei Jahren hat sie die Spuren in Inventarbüchern, Archiven, Ankaufdokumenten und Schenkungsurkunden verfolgt. „Viel Zeit und Geduld ist notwendig für diese detektivische Arbeit“, sagt sie. Am Ende gibt es neben zweifelsfrei unbedenklichen Stücken und den dazugehörigen Herkunftsgeschichten eindeutig belastete Exponate, die aus jüdischem Besitz stammen und die in der Doppelausstellung „Der Herkunft auf der Spur – Museumserwerbungen in der NS-Zeit“ gezeigt werden.
Objekte der Alltagskultur
Ob Silberlöffel, Tabakdose oder silberner Pokal: Im St. Annen-Museum gibt es neben unbedenklichen Stücken belastete Exponate, die in der Ausstellung mit Hinweisschildern gekennzeichnet sind. „Dabei handelt es sich um Objekte der Alltagskultur. Keine hohe Kunst, doch sehr erinnerungsbeladen“, sagt die Kulturhistorikerin Bettina Zöllner-Stock. So ist der silberne Zunftpokal durch Zwangsverkauf von Lübeck nach Wien gelangt und wurde dort von einem Auktionshaus 1942 zurück nach Lübeck an das Museum für Kunst und Kulturgeschichte veräußert. Kein Zufall, sondern einer von unzähligen Zwangsverkäufen und gezielten Ankäufen in dieser Zeit: Der 1933 eingesetzte Lübecker Museumsdirektor Hans Schröder kaufte in der NS-Zeit im gesamten Deutschen Reich bis nach Wien ein. Er hatte nach der für seine Museen verheerenden Palmarum-Nacht im März 1942 hohe Entschädigungsgelder erhalten und kaufte im großen Stil gezielt in den besetzten Niederlanden und in Belgien Gemälde und Möbel ein.
Drei belastete Bilder im Behnhaus Drägerhaus
Im Behnhaus Drägerhaus stieß Steffi Grapenthin ebenfalls auf Raubkunst: Nach den vier Kategorien sind von insgesamt 170 Gemälden, Zeichnungen und Skulpturen 65 unbelastet, 97 nicht zweifelsfrei unbedenklich, fünf weitere Exponate bedenklich und drei belastet. Zur letzten Kategorie gehört ein Werk von Gotthardt Kuehl: „Der singende Mann“, das dem jüdischen Kunsthändler Heinemann gehörte. Auch der Ankauf der „Braudiele“ des Künstlers konnte nicht zweifelsfrei geklärt werden.
Faire Lösungen zur Rückgabe der Güter
„Provenienzforschung ist das Einzige, was wir für einen ideologisch sauberen Hintergrund tun können“, sagt Kultursenatorin Kathrin Weiher. „NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut ausfindig zu machen und faire und gerechte Lösungen zur Rückgabe dieser Kulturgüter zu finden, ist unsere Aufgabe“, unterstreicht auch Professor Dr. Hans Wißkirchen, Leiter der Lübecker Museen.
Während noch bis weit in die 90er Jahre keiner sich um die Hintergründe gekümmert habe, werde erst seit rund 15 Jahren bei Ankäufen genau geschaut. „Wir haben uns der Provenienzforschung freiwillig und voller Freude gestellt“, so Wißkirchen. Am Ende steht die Ausstellung in beiden Häusern, in der die Herkunftsgeschichten aller untersuchten Objekte zu neuen Betrachtungen einladen. mpa
Ungeklärte Museumsexponate sind zu finden in der Internet-Datenbank unter www.lostart.de.
Foto: Raubkunst unter Alltagskultur: Kultursenatorin Kathrin Weiher vor dem belasteten Zunftpokal. Foto: mpa