Teil 3 der Wochenspiegel-Serie „Essbare Stadt Lübeck“.
„Das Reh war schon mal da“, berichten begeistert die Kinder. In der Nacht müssen die Wildtiere über den niedrigen Zaun der Biogärtchen auf Marli gestakst sein. Bedient haben sie sich am saftigen Zucchini und knackigem Salat. Die Erwachsenen freuen sich über den ungebetenen Besuch weniger. Christian Dierksen nimmt ihn immerhin als Anerkennung: „Die Rehe wissen schon, was gut schmeckt.“ Er ist einer der Initiatoren der Biogärtchen, eines Projekts der Essbaren Stadt Lübeck.
Gemeinschaftsprojekt von engagierten Bürgern und dem Marli-Hofladen
Die ökologischen Gemüseanpflanzungen an der Wesloer Straße sind aus der Zusammenarbeit von engagierten Bürgern mit dem Marli-Hofladen entstanden. Der Betrieb stellt rund 600 Quadratmeter Fläche für die Biogärtchen zur Verfügung, sagt die Leiterin des Hofladens Isa Rohwedder. „Wir bereiten den Boden vor, besorgen die Saaten, die Jungpflanzen und den Dünger in Bio-Qualität. Und die Pächter bepflanzen und betreuen ihre Parzelle bis zum Herbst selbst“, erläutert sie. Rund 130 Euro im Jahr kostet jede der 15 Parzellen. „40 Quadratmeter, das ist eine gute Größe“, meint Elke Neddersen. „Früher hatte ich mal einen Kleingarten“, erzählt die 73-Jährige, „aber da war zu viel zu tun: Rasen mähen, Hecken schneiden und noch dies und noch das. Das war richtig Arbeit. Hier genieße ich das Gärtnern einfach.“ Und sie staunt über die Erträge. Kohl, Spitzkohl, Kohlrabi, Kartoffeln, Bohnen, Erbsen, Mangold, Möhren, Rote Beete, Salat, Tomaten: Über 30 unterschiedliche Nutzpflanzen hat sie ausgesät. „Ich habe immer schon Gemüse angebaut, aber ich hatte nicht gedacht, dass es so ein Unterschied in der Qualität ist. Man schmeckt es einfach.“
Biogärtchen für die ganze Familie
Dimitrios Tsotanis ist gärtnerisch hingegen ein Neuling. „Wenn mir vor zwei Jahren jemand gesagt hätte, dass ich so auf das Bio-Gärtnern abfahre, hätte ich ihm einen Vogel gezeigt“, gesteht er. Für seine Kinder Paul und Lotti ist das Biogärtchen beinahe ein wundersamer Spielplatz, erzählt der 36-jährige. „Für sie ist es schon faszinierend, wenn man ein paar Samen pflanzt und plötzlich eine Riesenzucchini rauskommt.“
Familiäre Atmosphäre in den Biogärtchen auf Marli
Vor zwei Jahren wären die Biogärtchen indes beinahe eingegangen. Das frühere, viel größere Konzept unter dem Namen Erntevergnügen hatte sich nicht bewährt. Für die Mitarbeiter des Marli-Hofladens war die Arbeitsbelastung zu groß. Und die Stimmung unter den vielen Pächtern zu anonym, berichtet Benno Moreth. „Eigentlich wollte Marli das Projekt einstellen. Aber dann hat eine kleine Initiativgruppe deutlich gemacht, wie traurig sie ist, wenn das nicht mehr stattfindet. Und sie hat sich bereit erklärt, mehr an vorbereitenden Arbeiten selbst zu übernehmen.“ So gestutzt, gedeiht nun das Projekt weiter. Und darüber freut sich Frau Rohwedder: „Hier herrscht eine tolle, familiäre Atmosphäre, und wir wollen unbedingt so weitermachen.“ Anmeldungen für die kommende Saison nimmt der Marli-Hofladen entgegen, Telefon 0451/ 6203442. SDF
Foto: „Ein tolles Projekt und eine tolle Atmosphäre“: Die Leiterin des Marli-Hofladens Isa Rohwedder ist von den Biogärtchen und dem Einsatz der Pächter begeistert. © Sdf