
Stadtwappen, babylonisches Fabelwesen oder heidnischer Schutzengel? Ein neues Konzept für die Ausstellung im Holstentor will einen ethnographischen Blick auf Lübecks Geschichte werfen.
Neue Ausstellungsidee verbindet im Holstentormuseum Stadtgeschichte und Völkerkunde.
Nach fünf Jahrhunderten macht der riesige hölzerne Doppelkopfadler im Holstentormuseum immer noch eine glänzende Figur. Die unzähligen Schulklassen, die an ihm vorbeimarschiert sind, haben gelernt: Er stellt das historische Wappen der Hansestadt dar. Zukünftige Museumsbesucher könnten ihn aber ganz anders sehen: als den fernen Nachfahren eines babylonischen Fabelwesens, als einen heidnischen Schutzengel oder vielleicht als das Totemtier der Hanseaten. Denn die Lübecker Museum arbeiten an einem ganz neuartigen Konzept für die Nutzung des Holstentors. Auf den knapp 400 Quadratmetern zwischen den gewaltigen Gemäuern sollen sich Stadtmuseum und Völkerkundesammlung vermählen und einen ganz neuen Typ Ausstellung auf die Welt bringen. „Wir werden einen ethnologischen Blick auf die Geschichte und die Gegenwart der Stadt werfen“, erklärt der Direktor der Lübecker Museen Hans Wißkirchen. Neben hanseatischen Koggen könnten dann Kajaks der Indianer Nordamerikas zu bewundern sein. Und an der Ziegelwand werden lübeckische Hellebarden und Samurai-Piken einträchtig nebeneinander hängen. Über solchen Ideen brüteten jetzt Historiker, Ethnologen, Museumsleute und interessierte Bürger auf einer zweitägigen Fachtagung im Zentrum für Kulturwissenschaftliche Forschung.
Für das neue Konzept der Ausstellung im Holstentor führt Wißkirchen mehrere Gründe an. „Die Ausstellung, die dort seit 2003 gezeigt wird, entspricht aktuellen Standards nicht mehr. Und wir müssen sie sowieso ändern, weil nach der Eröffnung des Europäischen Hansemuseums dort die Geschichte der Hanse moderner, ausführlicher und für die Besucher interessanter dargestellt wird. Zugleich führen wir in Lübeck seit Jahren eine Debatte darüber, was mit unserer wunderbaren Völkerkundesammlung passiert.“ Aus all diesen Herausforderungen entstand die Idee eines Museums, das sich dem berühmten Holstentor-Inschrift „Concordia domi foris pax“ verpflichtet. Die uralte Wehranlage soll sich als Tor zur Welt und zu den fremden Kulturen öffnen.
Diese Pläne fanden auf der Tagung eine breite Zustimmung, insbesondere unter den Ethnologen. Vieles muss noch geprüft und geklärt werden, von der Frage nach einem Aufzug für Gehbehinderte bis zur ethischen Schwierigkeit, Kulturgüter aus der Kolonialzeit zur Schau zu stellen. Entschieden ist allerdings noch nichts, hebt Kultursenatorin Kathrin Weiher (parteilos) hervor. „Solche Konzepte müssen natürlich auf breiten Füßen stehen, sie benötigen die Zustimmung der Lübeckerinnen und Lübecker und der Parteien in der Bürgerschaft.“ Um dies zu erreichen, sind auch öffentlichen Diskussionsveranstaltungen geplant. SDF